"Wahlverwandschaften im Traum und im Wachen"

Rezension von Christoph Schütte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juli 2014 zur Ausstellung von Thomas Nolden und Nicole van den Plas bei Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt „Wahlverwandtschaften im Traum und im Wachen“
Rezension von Christoph Schütte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juli 2014 zur Ausstellung von Thomas Nolden und Nicole van den Plas bei Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt „Wahlverwandtschaften im Traum und im Wachen“

von Christoph Schütte

Arbeiten von Nicole van den Plas und Thomas Nolden sind in der Frankfurter Galerie Hübner & Hübner zu sehen

Jede Ausstellung", sagt Nicole van den Plas, «jede Ausstellung ist eine Entblößung." Was für ein Satz. Wie viel Mut gehört dazu, ihn auszusprechen, wie viel Schwäche, Angst und Furcht, aber auchTrotz und zugleich eine ungeheure Kraft.Schließlich umschreiben die Worte einen Augenblick großer Peinlichkeit ebenso wie einen Moment höchstmöglicher Inti-mität, sprechen von Lust und Scham, Entäußerung und Missbrauch, Vertrauen,blanker Neugier und Verletzlichkeit. Und angesichts der Ausstellung der im belgischen Mol geborenen, aber seit mehr als vier Jahrzehnten am Main lebenden Künstlerin in der Frankfurter Galerie Hübner & Hübner darf man glücklich konstatieren: Nicole van den Plas hat ohne Zweifel recht.

In jeder Hinsicht. Und aus jeder Perspektive, der des Künstlers ebenso wie der des Kunstbetrachters. Dabei erscheinen die Zeichnungen und Aquarelle, die Drucke, Ölbilder und Fotografien zunächst wenig spektakulär. Sie können motivisch und stilistisch unmittelbar als dynamisch expressiver Ausdruck existentieller Selbstbefragung gelesen werden, obwohl van den Plas für ihre Porträts und Seestücke und ihre wie geträumten Landschaften indurchweg bescheidenen Formaten schon immer aus den manchmal heimlichen und manchmal offen zutage tretenden Wahlverwandtschaften von Literatur undKunstgeschichte geschöpft hat. Und doch,welche Intensität, welche stille, nachhaltige und zugleich stets prekäre Kraft. Dabei geht es ihr keineswegs um die Aneignung.um die Indienstnahme eines Stils oder einer Epoche wie des Manierismus oder derRenaissance, sondern um Imaginationen,die phantastisch wuchernd aus der Wahrnehmung der Welt und - vor allem – der Kunst erwachsen. Mitunter meint man die eigenen Befindlichkeiten ebenso wie dieder Künstlerin gespiegelt zu finden. Mehr oder weniger bekleidet, mitunter gänzlich nackt. Nichts aber ist peinlich daran.

Die Landschaften Thomas Noldens, die das Ehepaar Hübner parallel zu den Arbeiten von van den Plas im Erdgeschoss der Galerie zeigt, künden derweil von einem gänzlich anderen Temperament.Zwar lässt sich die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte und namentlich mit der klassischen Moderne in Noldens aktuellen Bildern schlechterdings nicht übersehen.Der 1965 in Köln geborene Städelschulabsolvent schwelgt jedoch auf eine Weise in der Farbe, die man eingedenk seines ersten Auftritts an diesem Ort vor zwei Jahren nicht erwartet hätte. Während seine kleinen, meist vor der Natur entstandenen Leinwände nahezu monochrom anmuteten, erscheinen die aktuellen Landschaften in großem Format nicht nur ungleich näher am Gegenstand, sie strahlen auch in verführerischer Farbenpracht.

In Anbetracht von Noldens Malerei mag man bei ihm denn auch eine gänzlich andere künstlerische Haltung vermuten als bei van den Plas. Gänzlich fremd aber, so legen es Noldens Zeichnungen nahe. sind beider Positionen einander womög lich dennoch nicht. Allein, wo in der Kunst der Belgierin Fremdes vertraut, Vertrautes fremd und alles schwebend, flüchtig und verschwommen wie im Traum er-scheint, fühlt man sich vor Noldens Landschaften wie unter Drogen. Und weiß doch, man ist hellwach.